Herbert Reul ließ es an Deutlichkeit nicht vermissen. „Ich als Innenminister werde Extremismus in unserer Polizei nicht dulden. Nicht von rechts. Und nicht von links. Nicht aus religiösen Motiven“, sagte er bei der Auftaktveranstaltung der neu eingesetzten Extremismusbeauftragten beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) in Neuss (25. Mai 2020). Erstmals trafen sich die Polizistinnen und Polizisten, die künftig bei Verdachtsfällen die Anlaufstellen in den 50 Behörden des Landes sein sollen - und das jenseits der hierarchischen Strukturen. „Bei diesem Thema gibt es kein Pardon und keine halben Sachen“, betonte Reul. „Falsch verstandene Solidarität, Mund halten - das geht nicht.“ Den Beamtinnen und Beamten sagte er: „Wir tragen die Hauptverantwortung dafür, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingehalten wird.“
Anfang März hatte der Minister im Innenausschuss des Landtags die Berufung der Extremismusbeauftragten in allen Polizeibehörden des Landes und in der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen angekündigt. Hintergrund war der Fall eines Verwaltungsbeamten des Polizeipräsidiums Hamm, der Mitte Februar wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung in Haft genommen wurde. Im Zuge der Ermittlungen hat sich die Polizei in Hamm nun von zwei weiteren Mitarbeitern getrennt. Einer von ihnen arbeitete im Polizeidienst, der andere war Sachbearbeiter.
„Rechtsextremismus ist für mich mittlerweile eine der größten Gefahren für die Demokratie“, sagte Reul und gestand, sich die Dimension des Problems bis vor rund einem halben Jahr noch nicht hätte vorstellen können. Er erinnerte unter anderem an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Jahr.
Seit 2011 erfasst das LAFP die Personen, gegen die sich ein Extremismus-Verdacht richtet. Bis Ende 2019 gab es insgesamt zehn Verdachtsfälle, in diesem Jahr sind es bisher bereits 15. „Dies ist einerseits Ausdruck und zugleich Beleg für unser gemeinsames Vorgehen und unsere Sensibilität“, erklärte LAFP-Direktor Michael Frücht, „andererseits aber auch im Wesentlichen auf zwei Komplexe in Hamm und Aachen in diesem Jahr mit jeweils mehreren Betroffenen zurückzuführen, in der Spitze mit fünf Mitarbeitern.“
Auch wenn diese Zahlen gerechnet auf die Gesamtzahl der Beschäftigten bei der nordrhein-westfälischen Polizei gering erscheint, mahnte Frücht entschlossenes Handeln und klare Signale an: „Wer rassistische, fremden-, ausländerfeindlichen oder antisemitische Auffassungen in der Polizei vertritt oder sich zu eigen macht, hat in dieser bürgerorientierten und konsequent der Demokratie und dem Rechtsstaat verpflichteten Polizei keinen Platz.“
Frücht wies auf die mehrstufige Überprüfung von angehenden Polizistinnen und Polizisten hin: im Zuge des Bewerbungsverfahren, bei der Auswahl, in der Ausbildung und in der dreijährigen Probezeit. „Mit den zentralen Extremismusbeauftragten steht den Behördenleitungen nun ein weiteres wichtiges Mittel zur Verfügung“, sagte Frücht, „die Beauftragten haben die Aufgabe, niederschwellig entsprechende Hinweise auf extremistisches Verhalten oder Überzeugungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufzunehmen und unverzüglich die Behördenleitungen zu informieren und zu beraten.“
Für Extremismusforscher Prof. Dr. Thomas Grumke von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen gab den Teilnehmern mit auf den Weg, für die Zeichen, Symbole und Sprache des Extremismus sensibel werden zu müssen: „Ein erster Schritt ist es, die Phänomene überhaupt zu erkennen.“ Der Fortbildungsreigen ging gleich am Folgetag los - wegen der Coronakrise zunächst in überschaubaren Achtergruppen.