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Zwei Polizeibeamte stehen einer Person mit Schlagring gegenüber
Gewalt gegen Einsatzkräfte
Aufs Übelste beleidigt, bespuckt, getreten oder geschlagen: Gewalt gegen Einsatzkräfte hat viele Facetten. Zumindest gefühlt nimmt die Respektlosigkeit zu. Polizeipfarrer Hartmut Marks ist besorgt und hat deshalb gemeinsam mit der Kreispolizeibehörde einen Themenabend angestoßen. Es war schnell klar: Das liefert noch viel Gesprächsstoff.
Christof Hüls

Aufs Übelste beleidigt, bespuckt, getreten oder geschlagen: Gewalt gegen Einsatzkräfte hat viele Facetten. Zumindest gefühlt nimmt die Respektlosigkeit zu. Polizeipfarrer Hartmut Marks ist beunruhigt und hat deshalb gemeinsam mit unserer Behörde einen Themenabend angestoßen. Es war schnell klar: Das liefert noch viel Gesprächsstoff.

In Kreistagssaal in Iserlohn saßen gut 50 Zuhörer/-innen: Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Notfallseelsorger und sonstige Interessenten. Hartmut Marks verstand diesen Abend auch als „Demonstration gegen Gewalt“. „Wir brauchen sachliche Infos“, begründete der Polizeiseelsorger den Themenabend.

Respekt ist keine Einbahnstraße

Das Thema sei topaktuell, verwies Polizeidirektor Thomas Eckern als Vertreter des Abteilungsleiters auf aktuelle Vorfälle. Respekt sei natürlich keine Einbahnstraße. Auch Polizeibeamte müssten ihrem Gegenüber angemessen begegnen - zum Beispiel, indem sie nach polizeilichen Maßnahmen mit Gewaltanwendung Erste Hilfe leisten.

Mit dem ersten Vortrag stieß Polizeioberkommissar Marvin Barabo (32) direkt in den Kern des Themas: Auch im Märkischen Kreis gebe es Anfeindungen, Respektlosigkeiten und Gewalt. Er schilderte zwei Beispiele: Nach einer häuslichen Gewalt sollte ein Mann aus der Wohnung gebracht werden. Marvin Barabo bekam einen Faustschlag ins Gesicht. Er, ein Kollege und der wehrhafte Mann fielen durch eine Glastür. Sie kamen mit Prellungen und Schürfwunden davon. Bei einer Straßenverkehrskontrolle drohte ihm ein gut situierter Geschäftsmann mit Dienstaufsichtsbeschwerde und fragte ihn, ob er so eine schlechte Abi-Note gehabt habe, dass er zur Polizei habe gehen müssen – bloß weil Barabo darauf beharrte, den Führerschein sehen zu wollen.

Polizeibeamte seien immerhin inzwischen gut ausgerüstet. Er wertet es als „gutes Zeichen“, dass über das Thema geredet und das Problem benannt wird.

Selbstverteidigung für Notfallsanitäter

Tobias Schelp arbeitet als Regierungsbeschäftigter bei der Verkehrsunfallprävention der Kreispolizeibehörde. Er engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich bei der Feuerwehr. Weil er selbst noch keine Respektlosigkeiten erlebt hat, hörte er sich im Kollegenkreis um. Die fehlende Akzeptanz beginnt bei der erzwungenen Durchfahrt an Unfallstellen. „Ich zahle Steuern, ich darf das“, zitierte Tobias Schelf, was seine Feuerwehrkollegen auf der Straße hörten. Sie sehen sich immer wieder mit Unverständnis konfrontiert. Ein anderes Problem sind manche Patienten im Rettungsdienst. Im Gegensatz zur Polizei gebe es für Feuerwehrleute oder Notfallsanitäter keine „Eingriffstechniken“. Immerhin würden zunehmend Kurse z.B. zur Deeskalation angeboten. Selbstverteidigung gehöre in der Ausbildung der Notfallsanitäter zum Standardprogramm. Es gebe Codewörter, um per Funk Notsituationen zu beschreiben, ohne dass es die Randalierer verstehen.

Rückschau auf Gesetzesänderung

Die Juristinnen Nicole Seif und Katharina Becker beschäftigen sich mit juristischen Fragen. Die Paragraphen, die Widerstand und Angriffe auf Vollstreckungsbeamte betreffen, wurde vor einigen Jahren verschärft. Die Mitarbeiterinnen des Instituts für Strafrecht und Kriminalpolitik von Prof. Schiemann an der Universität Köln stellten ein erstes Teilergebnis ihrer Untersuchungen vor. Sie schilderten, wie Juristen (Anwälte/Staatsanwälte), Polizeibeamte und Rettungsdienstmitarbeiter die Gesetzesreform kommentierten. Von Anwälten sei beispielsweise das Argument gekommen, dass Bürger ein Recht haben müssten, staatliche Maßnahmen zu „hinterfragen“. Dabei befänden sie sich in der Regel in einer ungewohnten Ausnahmesituation.

Ob eine zunehmende Zahl von Anzeigen nun aus einer tatsächlich höheren Bereitschaft zur Gewalt oder aus einem veränderten Anzeigeverhalten abzuleiten sei, diese Frage konnten die beiden so nicht beantworten. Es gebe alle Sichtweisen unter den Juristen.

In der folgenden Diskussion klang zumindest der Eindruck an, dass Justiz nicht hart genug durchgreife und das mögliche Strafmaß selten ausnutzen würde, was nicht unwidersprochen blieb. Thomas Eckern erinnerte daran, dass die Behörde nach Angriffen Behördenleiterstrafanträge stelle. Dabei handle es sich um Offizialdelikte. Das heißt: Polizeibeamte seien verpflichtet, Strafanzeigen zu schreiben.

Problem selbst in Amtsstuben

Als letzter Referent trat PHK Ralf Hövelmann vom PP Münster ans Pult. Er begleitet ein landesweites Projekt „Sicherheit im Dienst“ (Internet-Seite: www.sicherimdienst.nrw). Ein Ergebnis des Projektes ist ein Präventionsleitfaden für rund eine Million Beschäftigte im öffentlichen Dienst – nicht nur für Einsatzkräfte, sondern z.B. auch für Mitarbeiter/-innen z.B. von Sozial- oder Arbeitsämtern. Zu dem Netzwerk gehören über 350 Organisationen und Behörden. Es gibt Online-Sprechstunden wie am Mittwoch, 1. März, von 14 bis 15.30 Uhr zur Frage, wie Feurwehr- und Rettungskräfte vor Angriffen geschützt werden können (https://url.nrw/diesicherestunde). Ralf Hövelmann empfahl den Zuhörern: „Schlucken Sie es nicht runter, schreiben Sie niedrigschwellig!“ Nur so könnte sich ein Problembewusstsein entwickeln.

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